Schlucht, Felsen, Höhlen

Thaurac: Ein großartiges Kletter-Gebiet

In Blickweite, nur zwei Kilometer von Ganges entfernt, liegt eines der größten und schönsten Klettergebiete Frankreichs: der Thaurac. Der Fluss Hérault hat eine wilde Schlucht in das Kalkstein-Plateau namens Thaurac gegraben. Die Schlucht liegt zwischen den Ortschaften Laroque und St Bauzille de Putois. Schon der Anmarsch zu etlichen Sektoren dieses Klettergebiets ist ein berauschendes Erlebnis: Da geht es zunächst auf Trampelpfaden steil bergan und dann in schwindelnder Höhe auf sehr schmalen Felsbändern, hoch über dem Abgrund, entlang.

740 Routen, zwei Klettersteige

Du kannst Deinen gesamten Jahresurlaub mit Klettertouren in dieser grandiosen Schlucht verbringen, ohne je eine Route zu wiederholen. Denn beiderseits des Hérault gibt es rund 740 Routen. Sie sind zwischen 12 und 100 m lang, die meisten jedoch um die 30 Meter. In der Regel sind sie gut bis perfekt mit Bohrhaken und Ketten für die Umlenkung gesichert. Die einfachsten Routen sind mit 4 bewertet (UIAA - wie alle folgenden Angaben auch). Der Schwerpunkt liegt aber zwischen 6+ und 9+. Und die Zehner- und Elfer-Routen ziehen Kraxel-Prominenz aus aller Welt an. Aber Gemach: Es gibt auch fast 90 Routen zwischen 4+ und 6-.

Außerdem sind zwei Klettersteige im Angebot: Der am "Rocher de Sion" rechts des Flusses ist recht kurz und endet in einer Höhle, von der man sich 50 m tief abseilt. Der andere, "Balcons de Thaurac" auf der linken Talseite, bietet eine ausgedehnte Kletterei, die durch zwei Höhlen führt, über Drahtseile und eine lange Leiter hinauf, stets mit Blick tief in die Schlucht und weit übers Land. Überhaupt kannst Du hier fließend zwischen Klettereien unter und über Tage wechseln. Der Thaurac ist durchzogen von natürlichen Schächten, grandiosen Tropfsteinhöhlen und unterirdischen Bachläufen. Viele Höhleneingänge liegen an den Wegen zu den Sektoren oder auf den Routen selbst.

(Fast) alles Wichtige dazu steht im Topo "Escalades au Thaurac", das Du nur vor Ort findest, z.B. im Office de Tourisme in Ganges (und natürlich bei uns im Apartment), oder das Du beim Autor bestellen kannst. Außer seiner Adresse stehen auf der zugehörigen Website aktuelle Änderungen wie Sperrungen oder neue Routen.

An der Felsnase über der Festung

Langweilig wird Dir der Thaurac also sicher nicht werden. Aber wenn es doch mal eine andere Landschaftskulisse sein soll: Da böte sich St Jean de Buèges an, 18 km südlich von Ganges. Über dem malerischen mittelalterlichen Dorf thront eine Trutzburg, und darüber die markante, gewaltige Felsnase "Roc de tras Castel". Hier gibt es 38 Routen von jeweils um die 40 m Länge in den Schwierigkeitsgraden 5 bis 9+. Im Tal, etwas östlich des Ortes, findet sich außerdem die Felswand "La Calasse", sehr romatisch direkt am Ufer des Flüsschens Buèges gelegen, mit neun Routen von 12-18 m Länge und von 3+ bis 8-. Ein gedrucktes Topo kann über die schon erwähnte Website bestellt werden.

Direkt an einer Staumauer des Hèrault, 22 km von Ganges entfernt, liegt das Klettergebiet "Moulin de Bertrand". Auf 30 Routen von 4+ bis 8 und bis zu 25 m Länge wirst Du vom Tosen und Glitzern des Wassers begleitet. Die Routen finden sich im Topo für St Jean.

Der Talkessel hinter der Touristenhochburg

Wer unbedingt eins draufsetzen will, unternimmt einen Kletterausflug ins 40 km entfernte St Guilhem le Désert. Der kleine, bestens erhaltene Pilgerort aus dem 9. bis 11. Jhd. zieht jedes Jahr mehrere Hunderttausend Besucher an, deshalb ist die Parkplatz-Suche an Wochenenden im Sommer aussichtslos. Beste Aussicht bietet dagegen der Rand des Talkessels hinter dem Dorf, genannt "Cirque de l'Infernet" oder "Cirque du Bout du Monde". 180-Meter-Routen geben hier den Ton an, auf denen Du Dich mit Klemmkeilen etc. selbst sichern musst. Die meisten der 119 Routen liegen zwischen 5 und 9+. Es gibt auch einige vorgesicherte, kürzere und leichtere Routen, aber derentwegen muss man nicht hierher fahren. Topo nur im Web.

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Legendär: Pic St Loup

Ein weiterer Kulissen-Wechsel bietet sich rund 30 km in Richtung Montpellier an: das Duo Hortus und Pic St Loup. Wie ein in der Mitte durchgebrochenes rundes Brot liegen sich die gezackten, Klippen der beiden Berge gegenüber. Das Topo für den Hortus, die kleinere, nördliche Hälfte, gibt’s (wie für den Thaurac) beim Autor Fabien Roumanille. Die Nordwand der südlichen Hälfte, des Pic St Loup, Hausberg der Metropole Montpellier, ist legänder für Pionierleistungen des Klettersports ebenso wie für tödliche Kletter-Unfälle. Zwar gibt es auch dafür ein gedrucktes Topo: "Pic Saint Loup – Escalades – Sentiers", aber das ist schwer in die Jahre gekommen (letzte Ausgabe 1981) und kaum mehr erhältlich (außer bei uns im Bücherregal).

Kletterer stören immer in der Natur

Gestatte uns bitte noch eine persönliche Anmerkung: Entgegen der irritierenden Selbstdarstellung des Deutschen Alpenvereins sind wir Kletterer per se keine Naturschützer, sondern Naturnutzer und – auch wenn wir uns vorbildlich an die Regeln halten: Naturstörer. So schränken wir z.B. am Thaurac den Lebensraum von Uhu und Wanderfalke, von Adlern und Geiern ein, die auf absolut ungestörte Brutplätze in Steilwänden angewiesen sind. Für uns ist es ein Hobby, für sie geht es um die Existenz. Sich strikt an Kletterverbote zu halten, keinen unnötigen Krach zu schlagen und keinen Müll zurück zu lassen, ist somit keine Heldentat, sondern das Allermindeste, das man von uns erwarten kann. Schön, wenn Du das auch so siehst!

Klettern & Naturschutz (Deutschlandfunk 2014; mp3, Länge: 04'03 Min.)